Im Alten Orient und im Alten Ägypten sind Frauen den Männern weniger untergeordnet als in anderen Kulturen. Auch hier sind Mann und Frau für den Fortbestand der Gesellschaft verantwortlich. Göttinnen und Götter werden als individuelle Wesen wahrgenommen, die auf die Lebenswelt der Menschen in unterschiedlicher Weise wirken.
Für die körperliche Liebe ist im Alten Orient die Göttin Ištar zuständig, unter deren Schutz die Prostituierten stehen (1+2). Ihr werden auch weibliche wie männliche Geschlechtsorgane (3) geweiht, um u.a. um Fruchtbarkeit zu bitten. Als Amulett am Körper getragen kann ein derartiges Objekt auch Schutz verleihen.
Statuetten nackter Frauen, die durch das Präsentieren der Brüste, das Schamdreieck und ein „gebärfreudiges Becken“ geprägt sind, stehen für Sexualität und Fruchtbarkeit (4–6). Schwangerschaft und Geburt sollen im Idealfall der körperlichen Vereinigung von Mann und Frau folgen. Der Name der Muttergöttin Nintu ist eine Anspielung auf das Wort Gebärmutter, welche in zweifacher Abbildung rechts und links der Göttin auf einem Terrakottarelief (7) wiedergegeben ist. Zwei am Boden kauernde Föten und zwei Kinderköpfe stehen für erhofften Nachwuchs und dessen Gedeihen ebenso wie die Terrakotte einer stillenden Frau (8).
Die altägyptische Statuette (9) zeigt eine königliche Gottesgemahlin, die an der Seite des Gottes Amun auch auf einem Ring (10) zu sehen ist. Der Thronfolger ist somit göttlicher Abkunft und für sein Amt ausgewählt.
Objekt 1 | Plakette mit Sexszene
Objekt 2 | Abformung eines Bleirelief mit erotischer Szene
Objekt 4| Terrakotte einer nackten Frau
Objekt 5 | Terrakotte einer nackten Frau
Objekt 6 | Tonfigur einer nackten Frau
Objekt 7 | Tonrelief mit Göttin Nintu
Objekt 8| Statuette einer stillenden Frau
Objekt 9 | Statuette einer Gottesgemahlin
Objekt 10 | Kopie eines Siegelrings der Königin Amanishakheto
Allard Pierson Museum, Amsterdam, Inv. APM 01678
Ton
H 7,7; B 6,8 cm
Ur-III Zeit (ca. 2000–1600 v. Chr.), aus dem Diyala-Gebiet
Diese Szene zeigt einen Mann und eine Frau beim Geschlechtsverkehr a tergo, während die Frau mit einem Strohhalm Bier trinkt. Der hier gezeigte Typ ist charakteristisch für die 1. Hälfte des 2. Jt. v. Chr. Vermutlich handelt es sich um eine Szene in einem Bordell oder einer Taverne, in denen Alkohol konsumiert wurde und Prostituierte ihre Dienste anbieten konnten. Letztere standen unter dem Schutz der Göttin Ištar, der Göttin der körperlichen Liebe und des Krieges. Die Thematisierung von Sexualität im Alten Orient war keinesfalls ein Tabu. Dennoch war die Sexualmoral des Alten Orients v. a. restriktiv und patriarchal geprägt. Die Taverne und das Bordell waren Orte, wo die Triebe ausgelebt werden konnten. Heteronormativität, also eine Geschlechterordnung, die überwiegend aus einer binären Opposition von Mann und Frau bestand (wobei zwischen „sex” und „gender” im modernen Sinne nicht unterschieden wurde), war die Norm. Nichtdestotrotz gibt es durchaus Belege für ein drittes „unbestimmtes” Geschlecht im Alten Orient.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 47.
Original: VA Ass 04244, Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum
Inv. VAG 01291.1
Kunststoff-Kunstharz, Original: Metall-Blei
H 4,8; B 4,2; T 0,3 cm
1243–1207 v. Chr., aus Assur
Diese Bleiplatte wurde in den Ruinen des Palastes des mittelassyrischen Königs Tukulti-Ninurta I. gefunden. Sie zeigt einen Mann und eine Frau beim Geschlechtsverkehr. Sie stehen sich gegenüber, wobei die Frau auf dem Rücken liegt und eines ihrer Beine über die Schulter des vor ihr stehenden Mannes schwingt. Der Mann hält die Hand und den Oberschenkel der Frau fest. Gekleidet ist er mit einer Zipfelmütze und einem langen Gewand, das nach vorne hin offen ist. Die Frau hingegen ist bis auf ihre Armbänder an den Knöcheln völlig unbekleidet. Wir wissen aus Texten, dass Prostituierte im Schatten der Stadtmauer häufig ihrem Gewerbe nachgingen. Die Ziegelstruktur, auf der die Frau liegt, könnte das darstellen. Auch wenn Prostitution ein bekanntes Gewerbe in der mittelassyrischen Periode ist, kann der hier gezeigte Geschlechtsverkehr nicht zweifelsfrei der Prostitution zugeschrieben werden. Prostituierte standen unter dem besonderen Schutz der Ištar, der Göttin der Sexualität. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich um Sex als Teil der Kultausübung handelte. Es gibt zahlreiche Rituale, die den Sexualtrieb steigern oder wiederherstellen sollen, und eine Plakette wie diese könnte einem stimulierenden Zweck gedient haben.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 48.
Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum, Inv. VA Ass 03892
Ton
L 11; Dm 7 cm
altassyrisch (20.–18. Jh. v. Chr.), aus Assur
Dieser Phallus mit einer Länge von 11 cm und einem Eicheldurchmesser von 7 cm war einst sicher überlebensgroß. Die meisten Objekte dieser Art wurden aus Fritte, einer Vorstufe von Glas, hergestellt, während unser Objekt aus gebranntem Ton besteht und längs durchbohrt ist, sodass es vielleicht bei rituellen Handlungen verwendet wurde. Die meisten Phallen in Assur wurden im Tempel der Ištar gefunden (zehn Stück). Dies ist nicht verwunderlich, da sie die Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit ist. Viele der Objekte, die männliche und weibliche Geschlechtsteile nachbilden, sind mit Ösen oder Löchern versehen, sodass man sie befestigen bzw. als Amulett tragen konnte. Sie konnten sowohl als Schutz- als auch als Weihgegenstand verwendet werden und wurden im Tempel abgelegt oder von dort aus auch mitgenommen, um Fruchtbarkeit oder Heilung zu erbitten.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 49.
Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum, Inv. VA 11591
Ton
H 9,1; B 3,9; D 2 cm
neubabylonisch, 1. Hälfte 1. Jt. v. Chr., aus Uruk (Warka)
Bei der Terrakotte aus Uruk handelt es sich um die Darstellung einer jungen Frau, die ihre Hände unter der Brust gefaltet hat. Abgesehen von einem Kleidungsstück, das ihre Hüften und ihre Schamgegend betont, ist sie nackt. Ihr Haar ist lang und fließend. Sie trägt einen Kopfschmuck, der mit vertikalen Streifen stilisiert ist. Solche Figurinen sind im Alten Orient ausgesprochen häufig. Die frontale Darstellung, die Nacktheit, die Geste des Anhebens und damit Präsentierens der Brüste und die Betonung der Schamgegend durch Markierungen im Ton lenken den Blick des Betrachters auf die sexuellen Attribute der Frau. Daher wird diese Art von Figur v. a. mit Sexualität und Fruchtbarkeit assoziiert und nicht mit dem Kinderkriegen und der Kindererziehung. Darstellungen des menschlichen Körpers sind in Mesopotamien weit verbreitet und durchlaufen durch die Jahrtausende eine besondere stilistische Entwicklung, die – abhängig vom damaligen Schönheitsempfinden – den weiblichen Körper in idealisierter Form zeigen sollten, wobei die Betonung klar auf den primären und/oder sekundären Geschlechtsmerkmalen liegt.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 51.
Musée du Louvre, Département des Antiquités orientales, Paris, Inv. SB 7780
Ton
H 15,5; B 5,7 cm
mittelelamisch (1500–1100 v. Chr.), aus Susa
Terrakottafigurinen von nackten Frauen, die ihre Brüste halten, sind im Südwesten Irans weit verbreitet (vgl. Objekt 4). Sie erfreuten sich im 2. Jt. v. Chr. einer besonderen Beliebtheit und sind wohl Fruchtbarkeitssymbole. Zur Mitte des 2. Jt. v. Chr. sind stark übertriebene Proportionen mit überbreiten Hüften charakteristisch. Diese Terrakotte aus der elamischen Hauptstadt Susa ist reich verziert. Sie trägt ein kunstvoll verziertes Diadem auf dem Kopf, eine Halskette mit Anhängern, die bis zu den Brüsten herabfällt, drei Armbänder an jedem Arm und einen Armreif um jeden Knöchel. Ihre Augen sind überlebensgroß, und ihr Mund scheint leicht zu lächeln. Der Bereich um ihre Brüste wird durch ein Zierband betont, und das Schamdreieck ist durch ein Buckelmuster definiert. Die vertikale Kante zwischen dem Nabel und dem Zierband um die Brüste ist ein charakteristisches Merkmal dieser Art von Figuren. Die Fruchtbarkeit der Frau wird durch ihre üppigen Hüften und Schenkel betont.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 53.
Sammlung des Bibelhaus Erlebnis Museums, Inv. 104
Frankfurt
Ton
ca. H ca. 14–21 cm
Eisenzeit II, Fundort unbekannt
Diese Art von Figurinen ist ab Ende des 8. bis zur Mitte des 6. Jh. v. Chr. in Judäa besonders beliebt. Sie stellen immer eine weibliche Gestalt dar, wobei umstritten ist, um wen es sich bei diesen Figuren genau handeln könnte. Quellen legen nah, dass die Figuren eine Göttin abbilden und zu ihrer häuslichen Verehrung dienen. Des Weiteren ist bekannt, dass zu einem gewissen Zeitpunkt Jahwe und Aschera als Götterpaar im Kult auftreten. Es könnte sich also möglicherweise um Letztere handeln. Bis 1550 v. Chr. sind die sog. Pillar Figurines sehr eigenständig und haben eine besondere Bedeutung für den Haushalt. Dies ändert sich in der Spätbronzezeit. Die weibliche Figur wird abgewertet. Sie dient nun allein zur Bewunderung und Bedienung des Männlichen, obwohl sie wichtige Bereiche des menschlichen Lebens, wie Fruchtbarkeit, abdeckt. Die Stücke beleuchten damit die unterschiedlichen Facetten der frühen Göttlichkeit und verdeutlichen, dass das Geschlecht bis in die späte Bronzezeit keinen Einfluss darüber hatte, wie präsent eine Gottheit in der Religion war.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 62.
Musée du Louvre, Département des Antiquités orientales, Paris, Inv. AO 12442
Ton
H 11,5; B 8,5; T 1,2 cm
altbabylonisch (1. Hälfte des 2. Jt. v. Chr.), aus Eshnunna
(Tell Asmar?)
Diese Terrakotta-Plakette aus Eshnunna zeigt die Göttin Nintu (auch Nintud/r), eine Muttergöttin, deren Name eine Anspielung auf das sumerische Wort „Gebärmutter“ ist. Die zwei Symbole in Form des griechischen Buchstabens Omega auf beiden Seiten der Göttin stellen wahrscheinlich einen Uterus dar. Die zwei dünnen Figuren, die neben ihr kauern, sind als Föten zu verstehen, und auf ihren Schultern sind die Köpfe von zwei kleinen Kindern zu sehen. Einige Darstellungen der Göttin zeigen auch ein Messer, mit dem sie nach der Geburt die Nabelschnur durchtrennt. Nintu ist auch unter den Namen Ninmah und Belet-ili bekannt. Ihre Domäne sind Schwangerschaft und Geburt. Ihre Rolle kann mit der einer göttlichen Hebamme verglichen werden. In älteren mesopotamischen Mythen wie der Geschichte von Atrahasis, dem mesopotamischen Bericht über die Flut und die Erschaffung der Menschheit, ist Nintu die Göttin, die die ersten sieben Menschenpaare aus Lehm und dem Blut eines erschlagenen Gottes erschuf. Nintu war eine beliebte Göttin, die in bedeutenden mesopotamischen Städten wie Assur, Babylon, Larsa, Mari, Susa und Nippur verehrt wurde. Ihr Hauptheiligtum befand sich jedoch in der Stadt Keš, die noch nicht entdeckt wurde.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 52.
Staaliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum, Inv. VA 11589
Ton
H 6,9; B 4,3; T 2,2 cm
neubabylonisch, 1. Hälfte 1. Jt. v. Chr., aus Uruk (Warka)
Die Terrakottaplakette aus der südmesopotamischen Stadt Uruk zeigt eine Frau, die einen Säugling stillt. Ihr jugendliches Gesicht und ihr lockiges Haar sind detaillierter dargestellt als der Rest der Figur. Sie trägt den Säugling auf ihren Armen und bietet ihm ihre linke Brust dar. Vergleichbare Abbildungen haben in Mesopotamien, dem heutigen Irak, eine lange Tradition und finden sich bereits in der sog. Ubaid-Zeit (5. Jt. v. Chr.). Figuren dieser Art wurden sowohl in Tempeln als auch in Privathäusern gefunden. Sie können bislang nur schwer mit spezifischen Göttern oder Personen in einen Kontext gesetzt werden. Jedoch liegt die Vermutung nahe, dass diese Darstellungen im weitesten Sinne mit der Muttergöttin Nintu verbunden werden können.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 50.
Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches, Inv. 10114
Museum und Papyrussammlung
Grauwacke
H 55,5; B 12; T 15 cm
19. Dynastie, 1279–1213 v. Chr., unbekannter Fundort
Die Statuette zeigt eine Frau mit langem Gewand. Auf dem Kopf trägt sie über einer langen Strähnenperücke eine Krone, bestehend aus zwei hohen Federn, einem Kuhgehörn und der Sonnenscheibe. An der Stirn prangt als königliches Symbol ein Diadem mit zwei Uräusschlangen. Ihre rechte Hand hält einen Wedel, der ebenfalls ein Zeichen für eine Person aus dem Königshaus ist. Geschmückt ist sie mit einem breiten Halskragen und Armreifen. Leider geben uns keine Inschriften auf der Statuette Auskunft darüber, wer die Person ist, jedoch zeigen die Attribute, dass es sich um eine Frau des Königshofes handelt. Besonders aufschlussreich ist die Krone: Die beiden hohen Federn weisen auf den Gott Amun, den Staatsgott des ägyptischen Neuen Reiches; Kuhgehörn und Sonnenscheibe sind feminine Symbole. Diese Krone ist typisch für die „Gottesgemahlinnen“, das höchste weibliche Priesteramt. Die Institution der Gottesgemahlinnen hat von 1550 v. Chr. bis in das 6. Jh. v. Chr. bestanden und ist eine eigenständig wirtschaftende Macht in Theben. In dem Amt wird das Ideal verkörpert, dass die Königin die irdische Gattin des Amun ist und von ihm den göttlich legitimierten Thronfolger empfängt. Hier wird die notwendige Verbindung der beiden Geschlechter sowie die Verflechtung von Göttlichem und Menschlichem für das Fortbestehen des ägyptischen Königsamtes figuriert. Ahmes-Nofretari als Begründerin und erste Würdenträgerin des Amtes wird auch noch Jahrhunderte später verehrt, sodass es wahrscheinlich ist, dass die Statue die schon lange verstorbene erste Gottesgemahlin zeigt
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 54.
Original: Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum, Inv. ÄM 1711
Galvano, Original: Gold
Dm 2,2 cm, Siegelplatte: H 2; B 1,75 cm
1. Jh. v. Chr., aus Meroё (Pyramide Beg. N 6)
Auf diesem Siegelring aus dem Grabschatz der nubischen Königin Amanishakheto sitzen sich der Gott Amun und die königliche Mutter auf einem Bett gegenüber. Zwischen ihnen ist das königliche Kind sichtbar. Amun ist in menschlicher Gestalt mit einem Widderkopf gezeigt – die typische Erscheinungsform des nubischen Amun. Auf seinem Kopf trägt er die hohe Zweifederkrone mit Sonnenscheibe und Uräus. Auf dem gleichen Bett, das mit Kissen ausgelegt ist, sitzt eine Frau. Sie trägt das meroïtische Staatsornat, das durch die schräge Schärpe identifiziert werden kann. Auf dem Kopf erkennt man einen Skorpion mit menschlichem Kopf: Diese sehr seltene Bekrönung weist auf die Bereiche Mutterschaft und Geburt. Die Füße des Paares sind überkreuzt, im Alten Ägypten eine symbolhafte Darstellung des Geschlechtsaktes. Die Frucht dieser Begegnung ist bereits sichtbar, ein kleines Kind, das einen königlichen Uräus auf der Stirn trägt, erscheint auf den Knien und wird von beiden gehalten. Das Motiv auf dem Ring ist die „göttliche Geburt“: Die Gemahlin des Königs verbindet sich mit einem Gott, der den Thronfolger zeugt (Objekt 8). Dieser ist damit göttlicher Herkunft und für die Übernahme des Königsamtes ausgewählt.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 55.