In afrikanischen und afrobrasilianischen Religionen wie dem Candomblé, einer brasilianischen Religion mit afrikanischen Wurzeln, werden Götter in Form von Masken, anderen kultischen Gegenständen oder durch bestimmte Tänze verehrt. Manchen Menschen wird dabei eine besondere Rolle als Vermittler zwischen Gott und den Gläubigen zugesprochen.

Ein Beispiel dafür ist der Gründer der Mouridiyya (sufischer Orden in Senegal; Sufi gelten als Mystiker und Asketen im Islam), Sheikh Ahmadou Bamba Mbacké, der als ein solcher Vermittler sowie als Freund Gottes angesehen wird. Die einzige von ihm vorhandene Fotografie ist auf diesem T-Shirt  (1) zu sehen. In diesem Orden wird die Meinung vertreten, dass der schützende Segen Bambas durch das Betrachten und Tragen seines Porträts auf Kleidungsstücken und anderen Alltagsgegenständen auf den Träger übergeht. So findet sich sein Bildnis teilweise auf Schmuckstücken wie diesen Lederamuletten (2), auf Postern oder auch als Graffiti. Im Gegensatz dazu überträgt sich der schützende Segen bei der Glasmalerei (3), die eine Episode aus Bambas Leben darstellt, nicht durch Berührung, sondern ausschließlich visuell. Der Betrachter wird dabei selbst von dem religiösen Führer angesehen, wodurch die Segenskraft auf ihn übergeht. Glasmalereien sind daher eine beliebte Wanddekoration oder ein Souvenir für Touristen. Das Foto (4) zeigt ein Mitglied der afrobrasilianischen Religion Candomblé, welches sich durch die Inkarnation der Göttin Iemanjá in Trance befindet und die typische festliche Kleidung der Göttin trägt.

Objekt 1 | T-Shirt mit Porträt des
religiösen Führers Ahmadou
Bamba Mbacké

Privatbesitz Emma Wendt
Baumwolle
H 70; B 68 cm
2023, aus Dakar (Senegal)

Auf dem T-Shirt ist das Porträt des Gründungsvaters der Mouridiyya, Sheikh Ahmadou Bamba Mbacké (1853–1927), aufgedruckt. Dieses Porträt gilt als die einzige Fotografie, die jemals von Ahmadou Bamba gemacht worden ist. Sie wurde zwischen 1913 und 1916 von einem Fotografen der französischen Kolonialbesatzung geschossen. In der mouridischen Epistemologie bestätigt die Komposition von Licht und Schatten, die Ahmadou Bambas Gesicht nur schwer erkennbar und seinen rechten Fuß gänzlich unsichtbar macht, seine besondere Nähe zu Gott und folglich seine Heiligkeit. Bamba gilt als wali (Freund Gottes), der über seinen Tod hinaus als Vermittler zwischen den Gläubigen und Gott fungiert. Dadurch wird ihm nachgesagt, seinen Anhänger*innen helfen zu können ein gottgefälliges Leben zu führen. Sheikh Ahmadou Bamba konnte in seinen Gebeten ein gutes Wort für seine Anhängerschaft bei Gott einlegen, deshalb wirkte Gott selbst nahbar. Bambas schützender Segen überträgt sich bereits durch das Tragen und Betrachten des Porträt des Sheikhs auf Kleidungsstücken oder auf anderen Alltagsgegenständen. Dazu zählt auch das ausgestellte T-Shirt, das im Stadtteil Medina, Dakar, bedruckt und verkauft wurde.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 29.

Objekt 2 | Amulette mit Porträts von mourdichen Sheikhs

Privatbesitz Emma Wendt
Leder
Ohne Ketten-Amulette H 7,4; B 4,6 cm;
kleinere Kette H 4,3; B 2,8 cm; Kette 2 Dm 5,1 cm
2023, aus Dakar (Senegal)

In die Lederamulette sind Bilder von Sheikh Ahmadou Bamba Mbacké, Gründer der Mouridiyya, und einem seiner ersten Anhänger, Sheikh Ibrahim Fall, eingearbeitet. Sie werden vorrangig von Mitgliedern der mouridischen Subgruppierung der Baye Fall als Halsketten getragen. Die Baye Fall (wenn weiblich, dann Yaye Fall) folgen Sheikh Ibrahim Falls Vorbild, der sich Ahmadou Bamba gänzlich hingegeben und weltlichen Ansprüchen entsagt haben soll. Sie drücken ihre Frömmigkeit in ihrer Bescheidenheit und harten Arbeit aus. Das körperliche Arbeiten für und die finanziellen Abgaben an ihren Sheikh gelten als Gottesdienst, der sie von anderen religiösen Pflichten wie dem muslimischen rituellen Pflichtgebet entbindet. Zu ihrer Ästhetik gehören neben verfilzten Locken (Rasta) auch die Baye Lahat (Patchwork-Kleidung). Die Baye Fall tragen lange Gewänder (Boubous), die aus gesammelten oder gespendeten Stoffen zusammengeflickt worden sind und dadurch ein wiedererkennbares Patchwork-Muster erhalten. Ihr Erscheinungsbild soll ihre spirituelle Hingabe, Demut und Bescheidenheit symbolisieren. Den Lederamuletten wurden Bilder von Sheikh Ahmadou Bamba und Ibrahim Fall beigefügt, da diese Bilder als eine aktive Präsenz angesehen werden, durch die ein göttlicher Segen und Schutz auf die Gläubigen übertragen wird.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 31.

Objekt 3 | Visual Piety

Rautenstrauch-Joest-Museum Köln, Inv. RJM2017/11,
Glasmalerei
32,2 x 48, 1×0,8
Datierung, Herkunft (Achtung!!!!)

Diese Glasmalerei stellt eine Episode aus Sheikh Ahmadou Bambas Leben dar: seine Begegnung (in Begleitung zweier seiner Anhänger) mit der französischen Kolonialverwaltung, die letztlich dazu führte, dass er ins Exil nach Mauretanien und Gabon geschickt wurde. Solche und ähnliche Glasmalereien sind überall im Senegal zu finden. Sie geben unterschiedliche Momente aus dem Leben dieses spirituellen muslimischen Führers wieder. Die einzige fotografische Darstellung (ca. 1913/1916) Ahmadou Bambas, die von der französischen Kolonialverwaltung angefertigt wurde, wird so zur Vorlage einer unveränderlichen, also ikonischen Repräsentation dieses religiösen Anführers, die unabhängig von Medium und Material umgesetzt wird. Der Segen (baraka) des Sheikhs überträgt sich durch Glasmalereien nicht durch Berührung, sondern ausschließlich visuell. Die Übertragung der Segenskraft erfolgt dabei nicht nur durch das Betrachten seines Porträts, sondern auch dadurch, dass der Betrachtende durch den religiösen Anführer selbst angesehen wird. Hierin besteht eine regionale Ausdeutung des Islams, der Bilder und Betrachten gezielt als eine Form der religiösen Verehrung einsetzt. Glasmalereien sind wegen des von ihnen ausgehendem Segens eine weit verbreitete Wanddekoration, sowohl in privaten Haushalten als auch in öffentlichen Einrichtungen. Ebenso beliebt sind sie als Erinnerungsstücke für Touristen.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 30.

Objekt 4 | Foto mit Manifestation der
afrobrasilianischen Göttin
Iemanjá

Fundação Pierre Verger, Salvador da Bahia, Inv. #27425
Brasilien
Fotopapier
H 27; B 28 cm
1946, Salvador da Bahia (Brasilien)

Das schwarzweiße Foto stammt von Pierre Verger (1902–1996) und zeigt ein Mitglied der brasilianischen Religion Candomblé in Trance, eine sog. filha de santo („Tochter des Heiligen”; auch iaô). Die Meeresgöttin Iemanjá hat sich in ihr inkorporiert. Iemanjá ist ein orixá, eine Gottheit afrikanischer Herkunft. Ihre “Tochter” auf dem Foto trägt die typische festliche Kleidung in den hellen Farben der Göttin (vermutlich hellblau, hier nicht klar zu identifizieren) sowie ihre Insignien (Metallfächer mit Seestern-Ornament in der rechten Hand; Kopfbedeckung mit Augenschleier aus Perlenketten). Der Candomblé ist eine brasilianische Religion mit afrikanischen Wurzeln. Sie entstand im Kontext des transatlantischen Menschenhandels, in dessen Verlauf vom 16. bis 19. Jh. ca. 4 bis 5 Millionen Menschen aus verschiedenen Religionskulturen Afrikas nach Brasilien verschleppt wurden. Neben Iemanjá wird im Candomblé eine Vielzahl weiterer orixás verehrt. Für die Candomblé ist in jedem Menschen bereits vorgeburtlich eine Verbindung mit bestimmten orixás angelegt. Im Laufe des Lebens muss sie rituell gefestigt und vervollständigt werden. Als ‚Sitz‘ der orixás im Körper gilt gewöhnlich der Kopf, aber auch die Körpermitte wird angegeben. Nach der Initiation bleibt ein Teil des orixá im Körper zurück und schwingt fortan bei allen Lebensvollzügen mit. Wird er rituell entsprechend aktiviert, überlassen die filhas- und filhos de santo ihren Körper (und Geist) temporär ganz den orixás.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 32.