Die Fingerkunkel – das Spinn-Gerät der vorbildlichen Hausherrin

Die Fingerkunkel ist ein Gegenstand zur Herstellung von Garn und bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. im anatolisch-syrischen Raum bildlich dargestellt. In ihrem unteren Bereich ist eine Öse angebracht, durch die das Gerät auf den Ringfinger gesetzt werden kann. Ein langer Stab, auf den die gereinigte Rohwolle in Form eines Knäuels gesteckt und dann mit Hilfe einer Spindel zu Garn gesponnen wird, setzt an der Ringöse an. Die Fingerkunkel erlaubt es so der Hausherrin, sich im Haus frei zu bewegen, anders als der große stabartige Spinnrocken, der dies verhindert. Als Bekrönung finden sich vor allem bei Fingerkunkeln aus dem Grabkontext figürliche Verzierungen: Hier in der Vitrine sind es ein Hahn (1), eine verhüllte Frau (2), die Liebesgöttin Venus (3) und eine Mischung aus Venus und ägyptischer Göttin Isis, einen Säugling nährend (4), sowie ein Pfau auf christlichem Kreuz (5).

Besonders in Frauengräbern sind Fingerkunkeln ebenso wie andere Spinn- und Webgeräte eine häufig anzutreffende Beigabe. Das liegt daran, dass das Spinnen von Garn sowie die Fertigung von Kleidungsstücken am Webstuhl zu den häuslichen Pflichten einer Frau gehört und die Verstorbene durch solche Beigaben als tugendhafte Hausherrin ausgezeichnet wird. Als Vorbild dient hier sicherlich Penelope, die Ehefrau des Odysseus, die lange auf ihren gegen Troja ziehenden Mann warten musste. Um die um sie werbenden Freier nicht anhören zu müssen, behauptete sie, dass zunächst das Totengewand für ihren Schwiegervater fertiggestellt werden müsse. Nachts dann trennte sie die tagsüber gewebten Partien wieder auf. So überbrückte sie in Treue zu Odysseus die Zeit bis zu dessen Heimkehr.