Obwohl alle drei Glaubensrichtungen zu den abrahamitischen Religionen zählen, unterscheidet sich das nachantike Christentum in einem Punkt erheblich von den beiden anderen. Sowohl im Judentum als auch im Islam herrscht ein striktes Verbot der Abbildung Gottes – im Judentum explizit formuliert als zweites der zehn Gebote. Dahinter steckt der Gedanke, dass Gott nichts und niemandem gleicht und daher nicht dargestellt werden kann. Auch im Christentum gilt ein solches Verbot, wird aber tendenziell dadurch gemildert, dass Gott in Christus Mensch geworden und als Mensch daher durchaus abbildbar ist.
Anstelle von Bildern werden im Judentum oft Symbole für das göttliche Wirken gebraucht, wie beispielsweise die Hand Gottes bei der Wandmalerei von Ezechiel im Tal der trockenen Knochen (1) oder Engel wie in diesem Feiertagsgebetsbuch (2). Die Präsenz Gottes kann aber auch durch die Darstellung gewisser gottesbezogener Rituale angezeigt werden, wie z.B. durch Initiationsrituale (3) oder durch verherrlichende Gedichte (4).
Im Christentum ist die Vorstellung eines menschlichen Gottes hingegen vollkommen legitim und zudem weit verbreitet. Viele Darstellungen finden sich im Alten und Neuen Testament, weshalb Abbildungen Gottes, die ihn bei der Schöpfung der Welt (5+6) zeigen, oder welche von Jesus als Weltherrscher (7) nicht überraschen. Im Islam wird Gott als der absolut Transzendente gedacht, der sich im göttlichen Wort des Koran (8) offenbart hat.
Objekt 1 | Wandmalerei mit Ezechiel im Tal der trockenen Knochen
Objekt 2 | Blatt aus dem Gebetsbuch mit Einsetzung des israelistischen Opferdienstes
Objekt 3 | Bildliche Darstellung eines Initiationsrituals
Objekt 4 | Beginn des liturgischen Gedichtes Dodi Shalit
Objekt 5 | Holzstich mit Kreis der Schöpfung
Objekt 6 | Einzelblatt aus der „Scheldischen Weltchronik“ mit Darstellung des Deus creator mundi
Nationalmuseum, Damaskus
Fotodruck; Original: Nationalmuseum Damaskus, Original: Secco
Original: H 7,46; B 1,26 m
244–245 n. Chr., in Dura Europos (Nord-Syrien)
Die Wandmalerei, die ursprünglich aus der Synagoge Dura Europos stammt, zeigt Ezechiel zu verschiedenen Zeitpunkten der Handlung innerhalb des Tals der trockenen Knochen. Links oben ist die Hand Gottes abgebildet, die die Kommunikation Gottes mit Ezechiel symbolisiert. Da in dem israelitischen Monotheismus Gott nicht anthropomorphe Gestalt denkbar ist, ist die Hand als Symbol für sein Eingreifen die gängige Darstellungsweise.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 20.
Bodleian Library, Oxford, Inv. MS Laud 321, fol. 127v
Fotodruck, Original: Pergament
H ca. 46; B ca. 33 cm
ca. 1270, aus Franken
Bei diesem Objekt handelt es sich um ein Mahzor, eine Handschrift in der Hymnen gesammelt sind, die an verschiedenen jüdischen Feiertagen die Pflichtgebete ergänzen. Aufgeschlagen sind die Seiten, die den Beginn des Gebetszyklusses für das im Juni beginnende Wochenfest (Shavuot) enthalten. Bei diesem Fest wird der Übergabe des Gesetzes an die Israeliten am Berg Sinai gedacht, die am oberen Rand abgebildet ist. Im Mittelpunkt steht die Einsetzung des Priestertums, das von Gott mit dem täglichen Tempel-Opferdienst beauftragt wird. Anstelle der typisch jüdischen Darstellung Gottes als Hand, wird seine Gegenwart hier durch das zentrale goldene Intitalwort Adon (Herr) dargestellt. Die geschrieben Referenz Gottes geht möglicherweise auf den Einfluss der im späten 12. Jh. im Rheinland wirkenden aschkenasischen Pietisten zurück, in deren Lehren die Buchstabensymbolik einen besonderen Platz einnahm.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 22.
Objekt 3 | Bildliche Darstellung eines Initiationsrituals
Universitätsbibliothek, Leipzig, Inv. MS Voller 1002, Bd. I, fol. 130v–131r
Fotodruck, Original: Pergament, teilweise mit Blattgold verziert
H 49,1; B 36,3; T 6,6 cm
ca. 1310, aus Worms
Bei diesem Objekt handelt es sich um ein Mahzor, eine Handschrift in der Hymnen gesammelt sind, die an verschiedenen jüdischen Feiertagen die Pflichtgebete ergänzen. Aufgeschlagen sind die Seiten, die den Beginn des Gebetszyklusses für das im Juni beginnende Wochenfest (Shavuot) enthalten. Bei diesem fest wird der Übergabe des Gesetzes an die Israeliten am Berg Sinai gedacht, welche auf der rechten Seite abgebildet ist.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 21.
Liturgisches Gedicht Dodi Shalit von Rabbi Simon Bar
u.a. überliefert im Leipziger Mahzor
10./11. Jh., Mainz
Hhl 5; Spr 16:4, 17:7, 4:25, 26:16; Zach 10:1;
Hiob 6:25; Ps 5:2
Das liturgische Gedicht (piyyut) Dodi Shalit – „Mein Geliebter ist Herrscher“ wurde von Rabbi Simon bar Isaak bar Avon von Mainz (950–1020) verfasst und ist in zahlreichen feiertäglichen Gebetsbüchern (mahzorim) aus dem mittelalterlichen deutschen Sprachraum erhalten. Das Gedicht wurde in der Synagoge vom Vorbeter am Morgen des Shabbat während der Pesachwoche rezitiert. Im Rahmen des zu Pesach begangenen Gedenkens an den biblischen Auszug aus Ägypten thematisiert der piyyut die Wunder und die Macht Gottes sowie die Liebe zwischen Gott und den Israeliten. In dem Gedicht wird Gottes machtvolle Entität mit dem Körper des „Geliebten“ aus der erotischen Dichtung des biblischen Hoheliedes allegorisiert. Am Anfang jeder Strophe, die aus dem Hohelied zitiert wird, wird ein anderer Teil des menschlichen Körpers genannt. Darauf Bezug nehmend verherrlicht jede Strophe einen anderen Aspekt der Gottheit. Zwar sind anthropomorphe Gottesvorstellungen nach dem jüdischen Gesetz verboten, in diesem Fall aber konnte Simon ben Isaak auf die in der jüdischen Tradition gepflegte Exegese zurückgreifen, die das Hohelied als Allegorie der Beziehung zwischen Gott (dem Geliebten) und Israel (der Frau) liest.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 23.
Bibelmuseum der Universität Münster, Inv. HKS 477
Papier, Holz, Leder
H 29,8; B 22; T 10,5 cm
1541, aus Wittenberg
Dieser handkolorierte Holzschnitt von Lucas Cranach (1515–1586) aus der Lutherbibel stellt das Schöpfungsgeschehen dar. Zentrales kompositorisches Element ist der Kreis, ein Symbol der Vollkommenheit. Gott befindet sich außerhalb des Kreises und blickt von oben auf seine Schöpfung. Seine Hände sind zum Segensgestus erhoben. Die Komposition der einzelnen Schichten innerhalb des Kreises folgt von außen nach innen der Reihenfolge ihrer Entstehung nach Genesis 1,1 ff.: Erst erschuf Gott Tag und Nacht, dann den Himmel, Meer und Erde, die Pflanzen, die Tiere und am letzten Tag Adam und Eva, die sich im Zentrum des Bildes im Paradies befinden. Adam und Eva sind nackt dargestellt, der Sündenfall hat also noch nicht stattgefunden. Der gesamte Kreis ist wiederum umgeben von Wasser.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 24.
Bibelmuseum der Universität Münster, Inv. AmD 78 fol. 1v
Papier
H 45; B 32,3 cm
1493, aus Nürnberg
Das vorliegende Einzelblatt stammt aus der lateinischen Fassung der „Schedelschen Weltchronik“, eine von Michael Wolgemut (1434–1519) und Wilhelm Pleydenwurff (1460–1494) illustrierte Darstellung der Weltgeschichte, die den Verlauf der Weltzeitalter von der Erschaffung der Welt bis zum Jüngsten Gericht verfolgt. Die Menschheitsgeschichte wird im Rahmen der biblischen Heilsgeschichte gesehen, deren teleologisches Ziel im Endgericht liegt. Die Einteilung in sieben Weltalter folgt in Analogie der Schöpfung der Welt in sechs Tagen. Das 7. Weltalter ist als Ausblick auf kommende Zeiten zu verstehen. Die Abbildung zeigt, im Rahmen von zwei Säulen sitztend, Gott als älteren Mann mit langen Haaren und Bart auf einem Thron. Er trägt die Tiara und hält die Weltkugel in der linken Hand. Die rechte Hand ist zum Segensgruß erhoben. Ihn umgibt ein Heiligenschein. Auf einem geschwungenen Spruchband ist zu lesen: „Ipse dixit et facta sunt, Ipse mandavit et creata sunt“. – „Er sprach und es ist entstanden, er befahl und es wurde geschaffen.“ (Ps 33,9).
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 25.
Bibelmuseum der Universität Münster, Inv. EKD lfd. Nr. 526
Holz, bemalt
H 84; B 62 cm
1755, aus Rumänien
Die Ikone zeigt Jesus Christus als Pankrator (gr. pantokrator), also als Weltherrscher. Dieses Motiv ist besonders in der byzantinischen Kunst und in der griechischen und russisch-orthodoxen Kirche verbreitet. Zu finden sind die Halbportraits als Mosaiken oder Fresken in der Apsis oder Ikonostase in Kirchen oder als Ikonen. Die Ikone folgt der typischen Pankrator-Darstellung, mit der die Gottgleichheit Christi, seine Weltherrschaft, Segensmacht und Lehrautorität betont wird. Im biblischen Text zeigt sich die Allmacht Gottes z. B. in Offb. 1,8: „der da ist, und der da war und der da kommt“. Gefertigt wurde die Ikone in Rumänien im Jahr 1755. Christus segnet im Lehrgestus mit seiner rechten Hand den Betrachtenden. In seiner linken Hand hält er das aufgeschlagene Evangelium, in dem Selbstaussagen („Ich bin“ – Worte) zu lesen sind. Links und rechts neben dem Kopf sind die nomina sacra IC XC („Iesous Christos“) zu lesen. In diesem Fall wurde der Nimbus (Heiligenschein) über Christus dreidimensional plastisch gebildet. Wie üblich, beinhaltet er eine Kreuzdarstellung. Links oberhalb des Kopfes ist die Jungfrau Maria zu sehen. Sie öffnet ihre Hände und streckt sie in einer Gebetsgeste aus. Auf der rechten Seite ist Johannes der Täufer dargestellt. Er streckt ebenso seine Hände in einer Gebetsgeste in Richtung Jesu aus. Maria und Johannes sind namentlich mit einer roten Inschrift bezeichnet: MP OV (Maria) und CTH IAH (Johannes).
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 26.
Sammlung des Instituts für Arabistik und Islamwissenschaft der Universität Münster, Inv. Hs. 7
Papier und Leder
H 18,5; B 12; T 3,5 cm
um 1850, aus Kaschmir
Der Koran ist nach muslimischem Glauben das ewige, unmittelbare Wort Gottes, das nicht getrennt von Gott gedacht wird: Gott hat sich den Menschen im Koran offenbart. Gott selbst wird im Islam als der absolut Transzendente dargestellt. Irritierend waren daher einzelne Verse im Koran, in denen von der Hand, dem Auge und dem Thron Gottes die Rede ist. So heißt es im sog. Thronvers Sure 2:255: „Er weiß, was zwischen Seinen Händen ist“ und „Sein Thron umfasst die Himmel und die Erde“. Solche Sätze warfen die Frage auf, ob man sich Gott in menschlicher Form vorstellen könne. Die Mehrheit der Theologen deutete und deutet derartige koranische Aussagen als metaphorisch: die Hand als Allmacht Gottes, das Auge als Bild für Gottes Allwissenheit, der Thron als Metapher für seine unermessliche Größe. Andere verstanden sie als Anthropomorphismen, wieder andere argumentierten, die Gläubigen sollten diese Aussagen unkritisch hinnehmen. Das göttliche koranische Wort wurde zu allen Zeiten mit größter Sorgfalt kalligrafisch gestaltet und kunstvoll verziert. Die erste und letzte, sowie die mittlere Doppelseite, sind aufwendig illuminiert. Die rosa Lotusknospen um das Textfeld sowie die Form des äußeren blau-goldenen Rahmens sind typisch für Korane aus dem muslimischen Nordindien.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 27.