Im alten Mesopotamien erscheinen die Götter in Menschengestalt oder als Symbole. Sie werden nur durch Zugabe gewisser Attribute wie der Hörnerkrone als göttlich gekennzeichnet.

Zwei Reliefs zeigen einen geflügelten, vogelköpfigen Dämon (1) sowie eine fürbittende Göttin (2). Der Dämon hat Kopf und Flügel eines Greifen, zudem den Körper eines Menschen. Dämonen gelten in Mesopotamien zwar nicht als Götter, aber als übermenschliche, mythische Wesen, die nicht selten Unheil oder Krankheiten über die Menschen bringen. Die fürbittende Göttin ist namenlos und nur durch die Hörnerkrone als Gottheit zu identifizieren. Durch ihre im Gebetsritus erhobenen Hände dient sie als Vermittlerin zwischen Menschen und Göttern und wirkt durch ihre schützende Funktion als eine Art antiker ,,Schutzengel“. Die Hörnerkrone findet sich auch auf der Gründungsfigur (4) sowie dem Siegelbild (5). Dieses wird neben der Verwendung in der Verwaltung und Buchhaltung auch als Prestigeobjekt genutzt oder den Toten mitgegeben. Ein sog. Kudurru (6) ist ein mit Göttersymbolen geschmückter, meist aus dunklem Kalkstein bestehender Grenzstein, auf dem hauptsächlich Grundstücksübertragungen aufgezeichnet werden. Dieser zeigt den Sonnengott Schamasch – zugleich Gott des Rechts und der Gerechtigkeit – als Sonnenscheibe, den Mondgott Sin als Mondsichel, die Göttin Ishtar als achtzackigen Stern, den Gott Nabu als Drachen, die Heilsgöttin Gula als Hund, die Göttin Isḫara – die Beschützerin der Erde – als Skorpion sowie den babylonischen Stadtgott Marduk als Spaten.

Objekt 1 |  Geflügelter, vogelköpfiger Dämon

Allard Pierson Museum, Amsterdam, Inv. APM 01695
Ton
H 14,5; B 8,5 cm
assyrisch, ca. 800–600 v. Chr. (angekauft in Bagdad 1951
vgl. JEOL 12, 208)

Dieses Relief zeigt einen Dämon. Er besitzt den Kopf eines Greifen, Flügel, und den Körper eines Menschen.  Die einzelnen Teile haben bestimmte Bedeutungen, die aus der mesopotamischen Mythologie stammen. Dämonen sind in Mesopotamien keine Götter, sondern untergeordnete, übermenschliche mythische Gestalten. Darstellungen von solchen Mischwesen sind seit frühester Zeit aus Mesopotamien belegt. Sie dienen zuweilen bestimmten Gottheiten des Mesopotamischen Pantheons. Sie sind oft positiv wirkende Wesen, die Sterbliche vor Bösem, insbesondere Krankheit, schützen sollen. Nach den Vorstellungen der alten Mesopotamier lösten böse Dämonen hingegen bestimmte Krankheiten bei Menschen aus. Man führte dann passende Abwehrrituale gegen den verursachenden Dämon aus, um diese Krankheiten zu heilen.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 4.

Objekt 2 | Fürbittende Göttin

Allard Pierson Museum, Amsterdam, Inv. APM 15711
Ton
H 11,8 cm
ca. 2000–1600 v. Chr., Südmesopotamien

Die dargestellte Figur ist eine anonyme Göttin in Gebetshaltung, die als fürbittende Gottheit bezeichnet wird. Erkennbar ist sie an ihrer Kopfbedeckung, der sog. Hörnerkrone. Diese ist das typische Attribut aller Gottheiten im Alten Orient. Götter werden in Mesopotamien immer mit menschlichen Attributen dargestellt. Dies rührt aus der Vorstellung, dass die ersten Menschen von Göttern aus Lehm, nach ihrem Abbild geschaffen wurden. Die zum Gesicht erhobenen Hände, die typische Gebetsgeste von Menschen und Göttern, zeigen, dass diese persönliche Göttin als Mittler zwischen den Sterblichen und einem Hauptgott des mesopotamischen Pantheons fungierte. Die Rolle der vermittelnden Gottheit ist bedeutend, da die meisten Personen die Tempel nicht betreten durften. Ein Fürsprecher oder eine Fürsprecherin konnte jedoch ihr Anliegen vor die Hauptgottheit bringen. Darüber hinaus besitzen sie auch eine schützende Funktion für die sterbliche Person, in gewisser Weise: ein antiker mesopotamischer „Schutzengel“

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 5.

Objekt 3 | Abguss des Dämons Pazuzu als Mischwesen

Abguss-Sammlung Antiker Plastik Berlin, Original: Inv. 11.421, Deir ez-Zor Museum,
Syrien
Inv. I 92 8/03 3303689
Gips, Original: Bronze
H 17,3; B 10,8; T 5 cm
neuassyrisch, 2. Hälfte des 7. Jh. v. Chr., Dur-Katlimmu
(Tell Sheikh Hamad)

Pazuzu ist der König der bösen Winddämonen, die mit verschiedenen Arten von Krankheiten in Verbindung gebracht werden. Er kann negativ, aber auch positiv für die Menschen wirken – letzteres insbesondere dann, wenn er im Gegenzug für menschliche Gastfreundschaft seine widerspenstigen Untertanen, die Dämonen, unter Kontrolle bringt, sodass sie die Menschen nicht belästigen. Im Gegensatz zu Göttern, die im Alten Orient Menschengestalt haben, werden Dämonen als Mischwesen verstanden. Das zeigt bereits, dass sie einen niedrigeren Rang einnahmen, obwohl sie zur übermenschlichen Sphäre gehörten. Der Kopf des Pazuzu ist eine Mischung aus Mensch und Tier. Er hat eine hundeähnliche Schnauze, wulstige Augen, menschliche Ohren, einen Bart und gefletschte Zähne. Seine Hörner sind Tierhörner und stellen damit nicht die typische Hörnerkrone dar, die als Zeichen der Göttlichkeit dient. Pazuzus männlicher, größtenteils menschlicher Körper ist mit zwei Paar Flügeln ausgestattet, jedoch hat er Klauen als Hände und Krallen als Füße. Pazuzu kann als Gegenspieler von Krankheitsdämonen eingesetzt werden, um Menschen zu schützen, weshalb Pazuzu eine beliebte Figur in der mesopotamischen Medizin und Magie ist.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 6.

Objekt 4 | Gott Ningirsu mit Gründungsnagel

Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum, Inv. VA 03056
Bronze/Kupfer
H 17; B 6; D 3,5 cm; G 0,86 kg
um 2100 v. Chr., aus Wohl al-Hiba (Südirak),
2144–2124 v. Chr. (Gudea von Lagasch)

Diese gut gearbeitete Figur eines knienden Gottes, der einen beschrifteten Pflock hält, wurde für Gudea (ca. 2144–2124 v. Chr.), den Stadtfürsten des sumerischen Stadtstaates von Lagasch (im heutigen Südirak), angefertigt. Es handelt sich um eine sog. Gründungsfigur, die häufig in gemauerte Kapseln in den Ecken oder unterhalb von Tempeln oder Palästen gelegt wurden. Im alten Mesopotamien stellte man sich Götter immer in Menschengestalt vor, die durch besondere Attribute als göttlich gekennzeichnet wurden. So besitzt die Figur eine sog. Hörnerkrone, die seinen Status als ein überirdisches Geschöpf symbolisiert. Er trägt ein verziertes Gewand, hat langes Haar und einen Bart, der ihm bis zur Brust reicht. Sein Gesicht ist geprägt von großen, weit geöffneten Augen und einer dominanten Nase. Mit beiden Händen hält er das obere Ende des Pflocks fest. Auf dem Schaft befindet sich eine zweispaltige Inschrift. 

Wortlaut der Inschrift: „Dem (Gott) Ningirsu, dem starken Helden des Enlil, hat sein König Gudea, der Stadtfürst von Lagasch, alles, was zum Kult gehört, zum Leuchten gebracht (und) seinen (Tempel) Eninnu – ‚weißer Adler‘ – hat er für ihn gebaut (und) an seinen Platz zurückgebracht.“

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 1.

Objekt 5 | Anthropomorphes Siegelbild

Archäologisches Museum der Universität, Inv. 3618
Münster
Hämatit
H 2,5; Dm 1 cm
19.–17. Jh. v. Chr., aus Syrien

Rollsiegel tauchen in Südmesopotamien ab der Mitte des 4. Jt. v. Chr. auf, doch verbreitete sich diese typisch mesopotamische Siegelpraxis bald im gesamten Alten Orient. Szenen aus dem täglichen Leben, Feste, Jagd, Kriegsführung sowie mythologische oder religiöse Themen bilden beliebte Motive auf Siegeln. Die Hauptszene auf diesem Siegel aus dem östlichen Mittelmeerraum zeigt einen stehenden Gott, möglicherweise Baal, mit langen Haaren und einem Bart. Er trägt eine gehörnte Krone, eine kurze Tunika und einen Streitkolben am Gürtel. In seiner Hand hält er ein Zepter. Im gesamten Alten Orient wurden Götter menschengestaltig dargestellt, jedoch trugen sie als Kennzeichen ihrer Göttlichkeit eine Hörnerkrone. Neben Baal befindet sich eine Göttin, die ebenfalls eine Art Hörnerkrone und ein typisch syrisches Kleid, den Wulstsaummantel, trägt. Ihr folgen ein bärtiger Mann und eine nackte Frau auf einem Podest. Neben diesem Menschenpaar stehen sich zwei Sphingen gegenüber.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 3.

Objekt 6 | Abguss eines Kudurru mit Göttersymbolen

Archäologisches Museum der Universität, Inv. L GV 109
Münster
Original: British Museum, London, Inv. 102485
Gips, Original: aus Kalkstein
H 36; L 23; T 13 cm
1125–1100 v. Chr., Fundort unbekannt

Bei diesem Stein handelt es sich um einen sog. Kudurru. Eigentlich bedeutet Kudurru „Grenzstein“, jedoch standen diese wertvollen beschrifteten Steine – meist dunkler Kalkstein – nicht einfach so auf den Feldern. Es sind symbolische Grenzsteine, deren Inschrift meist Grundstücksübertragungen aufzeichnen. Sie werden in Tempeln aufgestellt, wo die Götter den auf ihnen beschriebenen Rechtsvertrag schützen können. Ein charakteristisches Merkmal vieler Kudurrus ist, dass sie mit Göttersymbolen geschmückt sind. Der vorliegende Kudurru dokumentiert eine Landzuweisung von Eanna-šumu-iddin, dem Gouverneur des Meereslandes in Südbabylonien, an einen gewissen Gula-Ereš. Oben auf dem Stein sind die drei wichtigsten Götter durch ihre himmlischen Symbole abgebildet. Dazu gehören zum einen Schamasch, der Sonnengott und Gott des Rechts und der Gerechtigkeit, dargestellt durch eine Sonnenscheibe. Das zweite Symbol repräsentiert den Mondgott Sîn, abgebildet in der Mondsichel, und das dritte die Göttin Ishtar, stellvertretend für den achtzackigen Stern. Unterhalb sind noch weitere Symbole abgebildet: ein Drache für den Gott Nabû, ein Hund für die Göttin Gula, ein Skorpion für die Göttin Išḫara, eine Beschützerin der Eide, und der Spaten als Symbol des babylonischen Stadtgottes Marduk. Den unteren Abschluss des Steins bildet eine Inschrift, die Einzelheiten zu der Transaktion enthält. Zunächst werden Ort und Größe der Landschenkung genannt, danach folgen die Namen der Beschenkten. Der zweite Teil enthält eine Reihe von Flüchen, die jeden treffen würden, der es wage, das Geschenk infragezustellen oder den Kudurru zu beschädigen.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 2.