In der Antike hat man im Orient und in Ägypten die Auffassung, dass hinsichtlich von Krankheit und Heilung der Mensch beständig dem Wirken kosmischer und göttlicher Mächte ausgeliefert ist. Dementsprechend wird oft auf die Hilfe von magischen Ritualen zurückgegriffen, um Krankheiten zu kurieren. Dabei verlässt man sich aber nicht ausschließlich auf die Hilfe der Götter, sondern auch auf medizinische Kenntnisse. Dafür werden verschiedene Salben aus pflanzlichen, mineralischen und tierischen Produkten angerührt, um sie z.B. auf Verbände aufzutragen, oder dem Patienten werden Heilmittel zu essen oder zu trinken gegeben.
Die Tontafeln aus Assur sind mit Texten versehen, die zur Behandlung verschiedenster Leiden dienen. Zum einen gibt es Formeln zur Geisterbekämpfung (1), die einem Exorzisten dabei helfen sollen, die bösen Geister aus dem Körper des Opfers zu vertreiben, und zum anderen therapeutische Handbücher (2) oder Rezeptanweisungen (3). Teilweise werden auch Amulette wie ein Rollsiegel mit medizinischer Szene (4), ein Udjat-Auge (5) & (6) oder andere kleine Talismane getragen, um den Schutz der Götter zu erbitten und so den Krankheiten prophylaktisch entgegenzuwirken. Durch den Körperkontakt beim Tragen des Amulettes geht die Heilkraft auf die Person über. Das Auge im Spezifischen gilt dabei auch als Regenerationssymbol und soll die Heilung beschleunigen. Ähnlich verhält es sich mit Horusstelen (7) aus ptolemäischer Zeit, die häufig in Gräbern oder Häusern gefunden werden und aufgrund der Abbildung mehrerer Schutzgottheiten (Harpokrates, Bes, Isis) als mächtiges Schutzsymbol gelten.
Objekt 1 | Keilschrifttafel mit Formel zur Geisterbekämpfung
Objekt 2 | Pharmakologisch-therapeutischer Text
Objekt 3 | Rezeptanweisungen gegen Kopfkrankheiten
Objekt 4 | Rollsiegel mit medizinischer Szene
Objekt 5 | Amulett in Form eines Udjat-Auges
Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum, Inv. VAT 08242
Ton
H 26,7; B 10,4; T 3,3 cm
neuassyrisch (ca. 911–612 v. Chr.), aus Assur (Qalat Sherqat)
„Wenn die Hand eines Geistes…“ Diese assyrische Tontafel enthält Anweisungen, wie man eine Person heilen kann, die unter bösartigen Geistern leidet. Für die Menschen im alten Mesopotamien waren Geister sehr reale Phänomene, die ihrem geistigen und körperlichen Wohlbefinden ernsthaften Schaden zufügen konnten. Man hielt sie für Seelen von Verstorbenen, die nicht die richtigen Bestattungsriten erhalten hatten und deshalb die Lebenden belästigten. Diese Belästigung eines Geistes wurde „Anfall“ genannt, was darauf hindeutet, dass der Geist sein Opfer physisch ergreift. Ein solcher „Anfall“ konnte alle möglichen medizinischen Probleme verursachen, darunter Lähmungen, Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel und sogar Depressionen. Man meinte auch, dass die Geister in einigen Fällen im Körper des Opfers wohnten und durch die Ohren eindrangen. Eine Person, die unter Geisterbelästigung litt, konnte von einem medizinischen Fachmann, dem Exorzisten (āšipu), behandelt werden. Dieser nutzte sein umfassendes Wissen über medizinische und rituelle Verfahren, um den Geist aus dem Körper des Opfers zu vertreiben. Hierfür sind aus dem alten Mesopotamien mehr als 350 Texte bekannt, die Rezepte zur Geisterbekämpfung enthalten.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 80.
Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum, Inv. VAT 10070
Ton
H 14,1 cm; B 10,5 cm; T 3,8 cm
mittelassyrisch (ca. 1400–1000 v. Chr.), aus Assur (Qalat Sherqat)
Die mesopotamische Medizin verwendete Heilmittel aus der Natur. Dazu zählen Pflanzenteile und Mineralien (Salze und Steine) sowie verschiedene tierische Produkte wie Fett, Milch, Fleisch, Wolle oder Knochen. Die Heilpflanzen wurden in speziellen Gärten angebaut oder aus fernen Ländern importiert. Therapeutische Texte, wie dieser Text aus Assur, beschreiben ausführlich die verschiedenen medizinischen Materialien und die Art und Weise, wie sie verarbeitet und auf den Körper eines Patienten aufgetragen wurden. Manchmal wurde dem Patienten ein bestimmtes Heilmittel zu essen oder zu trinken gegeben, oft aber mischte der Heiler verschiedene Zutaten zu Salben oder Pasten, die auf Binden und Tampons zur äußeren und inneren Anwendung gebracht wurden. Eine weitere beliebte Technik war das Räuchern, und Heiler verließen sich natürlich auch auf Gebete und Beschwörungsformeln. Aus dem alten Mesopotamien sind hunderte verschiedene medizinische Rezepte bekannt. Ihr Wissen geht auf lange Versuchsstudien zurück. Für moderne Wissenschaft ist es schwierig, die mesopotamische Medizin zu verstehen, da viele der verwendeten Inhaltsstoffe nicht leicht zu identifizieren sind.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 81.
Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum, Inv. VAT 09029
Ton
H 19,4; B 12,8; D 3 cm
neuassyrisch (ca. 911–612 v. Chr.), aus Assur (Qalat Sherqat)
„Wenn der Schädel eines Menschen Wärme speichert…“ Die frühesten bekannten medizinischen Texte aus Mesopotamien stammen aus dem 3. Jt. v. Chr. In diesen Texten werden Krankheiten, Symptome und Heilmethoden systematisch von Kopf bis Fuß beschrieben. Im alten Mesopotamien wurden Krankheiten manchmal als göttliche Strafe für menschliche Übertretungen religiöser oder sozialer Normen aufgefasst, sie konnten aber auch durch äußere Einflüsse wie Geister und Dämonen verursacht werden. Einige medizinische Probleme galten aber auch einfach als Fehlfunktionen von Körperteilen. Quellen wie diese Tontafel aus Assur mit Rezepten gegen Krankheiten, die den Kopf betreffen, zeigen, wie mesopotamische Heiler die Symptome von Krankheiten erkennen und behandeln konnten. Genannt werden u. a. Haarausfall, Fieber, Kopfschmerzen und sogar Hautkrankheiten. Um diese zu behandeln, verwendeten mesopotamische Heiler oft Verbände mit Salben aus verschiedenen Pflanzen, Mineralien und tierischen Produkten, die auf den Kopf des Patienten aufgetragen wurden. Alternativ dazu konnten auch verschiedene Getränke oder Pulver in den Mund, die Augen oder die Ohren des Patienten gegeben werden.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 82.
Archäologisches Museum der Universität, Inv. 3694
Münster (ehemals Sammlung Tono Eitel)
Serpentinit
H 2,9; Dm 1,4 cm
ca. 9.–7. Jh. v. Chr., aus dem Irak (?)
Das Siegelbild zeigt eine auf einem Bett liegende, offensichtlich erkrankte Person in einer aus Flechtwerk bestehenden Hütte. Ein bärtiger Beschwörungspriester oder Arzt mit einem Stab in der Hand beugt sich über den Kranken, während eine Frau am Kopfende kniet. Sie hält eine (Räucher-)Schale, aus der Flammen züngeln, über den Kopf des Patienten. Auf beiden Seiten wird die Szene durch größere Figuren flankiert. Links steht ein Mann mit einem Stab in der Hand und auf der rechten Seite scheint eine Klagefrau mit entblößten Brüsten abgebildet zu sein. Ein über das Hüttendach laufender Hund steht wohl stellvertretend für den Schutz seitens der Heilgöttin Gula. Der abgebildete Schilfbau könnte eine sog. urigallū-Hütte darstellen, die eigens zur Behandlung von Kranken und meist außerhalb der Stadt errichtet wurde. Verschiedene Symbole auf der Siegelfläche stehen für unterschiedliche Gottheiten (Ischtar, Assur, Nabû, Sîn) und sollen deren Segen auf den Besitzer übertragen. Auch wenn es sich der Form nach um ein Siegel handelt, so wurde es sicher nicht auf Tondokumenten im Rahmen eines Rechtsgeschäfts abgerollt, sondern als schutzbringendes Amulett genutzt. Solche Rituale und andere kultische Handlungen, bei denen auch „richtige Medizin“ verabreicht wurde, fanden bei Krankheiten und Gebrechen aller Art Anwendung.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 83.
Gustav-Lübcke-Museum, Hamm, Inv. 12493/3
Ägyptische Fayence (Quarzkeramik)
H 2,1; B 2,7; T 1 cm
Spätzeit (ca. 664–332 v. Chr.), Fundort unbekannt
Das kleine grünbraune Amulett aus ägyptischer Fayence stellt ein linkes Auge mit langem Schminkstrich und geschwungener Augenbraue im Relief dar. Augenbraue und Pupille wurden mit schwarzer Farbe betont. Obwohl das Amulett, das als Udjat („das Heile, Geheilte“) bezeichnet wird, ein menschliches Auge wiedergibt, sind Elemente dem Falken entlehnt. Dieses Motiv ist eng mit dem zu- und abnehmenden Mond verbunden, später auch mit der auf- und untergehenden Sonne. Auf mythologischer Ebene wird es mit dem meist falkenköpfig dargestellten Gott Horus verknüpft, dessen Auge im Kampf gegen den Widersacher Seth geraubt, verletzt, anschließend jedoch wieder geheilt wurde. Somit wird das Udjat zu einem wichtigen Regenerationssymbol. Als solches soll das Augenamulett Linderung in akuten Krankheitsfällen bringen, aber auch seinen Besitzer vor bösen Einflüssen jedweder Art schützen. Mithilfe einer Öse oder (wie im vorliegenden Fall) einer waagerechten Durchbohrung konnte das Udjat an einer Kette getragen werden. Durch den Körperkontakt ging die Heilkraft des Objektes auf die Person über.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 85.
Gustav-Lübcke-Museum, Hamm, Inv. 12231
Ägyptische Fayence (Quarzkeramik)
H 3,1; B 4,1; T 1,7 cm
Spätzeit (ca. 664–332 v. Chr.), Fundort unbekannt
Das Amulett zeigt ein rechtes Udjat-Auge im Relief. Im Gegensatz zur Standardform des Motivs (Objekt 5) sind hier noch kleinere Udjat-Augen eingefügt. Durch ein Loch, das waagerecht durch den Anhänger gebohrt wurde, konnte eine Schnur gefädelt werden. Die ehemals grünblaue Farbe der ägyptischen Fayence hat sich bräunlich verfärbt. Das eigenständige Auge symbolisiert Regeneration sowie Schutz gegen Krankheiten und böse Einflüsse. Durch die Kombination mit anderen Elementen (z. B. Tieren, Götterfiguren, weiteren Augen) kann die Wirkung des Amulettes allerdings noch verstärkt werden. Bei solchen Gruppierungen stehen das Udjat und seine Bedeutung nach wie vor im Zentrum. Die zusätzlichen Motive betonen lediglich einen Aspekt. Im Fall des vorliegenden Objektes soll die Heilkraft des Zeichens vervielfacht werden. Die Zahl Sieben gilt im Alten Ägypten als „magisch“ und steht für Schöpfung, Feindvernichtung, Regeneration, aber auch für Vollständigkeit. In der Medizin soll das siebenfache Wiederholen das komplette Ausmerzen der Krankheit und die anschließende Genesung bewirken.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 86.
Dutch National Museum of Antiquities, Leiden
Inv. H.III.GGG 3 (alte Inv. A 1052)
Kalkstein
H 14,7; B 6,3; T 5,5 cm
ptolemäische Zeit (180–30 v. Chr.), aus Alexandria (?)
Auf der Vorderseite der Stele ist der Gott Harpokrates (Horus-das-Kind) mit charakteristischer Jugendlocke dargestellt, der hinter dem Rücken zweier Krokodile steht. Er hält jeweils einen Skorpion und zwei Schlangen gepackt. Außerdem befindet sich eine Antilope in seiner Rechten sowie ein Löwe in seiner Linken. Der Gott hat als Kind Schlangenbisse und Skorpionstiche überlebt, weshalb er als Schutzgottheit angesehen und als Bezwinger dieser Tiere dargestellt wird. Oberhalb des Harpokrates ist der Kopf des Schutzgottes Bes gezeigt. Seitlich der Stele verläuft jeweils der Körper einer Schlange, die oberhalb des Bes-Kopfes nach vorne blicken. Auf der Rückseite sind die Göttin Isis und weitere Götter zu sehen. Auf allen Seiten der Stele befinden sich magische Inschriften. Magie und Medizin sind im Alten Ägypten untrennbar. Die Horusstelen werden im Bereich der nichtoffiziellen Religion der ägyptischen Kultur angesiedelt und wurden in Gräbern und Häusern gefunden.
Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 87.