Die antike Medizin zeichnet sich durch eine Mischung aus naturwissenschaftlichen sowie spirituellen Elementen aus, die teilweise im Einklang zueinanderstehen.
So wird Ärzten ein hohes Ansehen und Vertrauen entgegengebracht, was das Porträt eines Arztes (1) bezeugt. Das Lithotomieskalpell (2), das zur Entfernung von Blasensteinen bestimmt ist, zeigt an, dass das Instrumentarium schon sehr ausgeklügelt ist. Bestimmte Weihgaben deuten aber gleichzeitig auf das Ersuchen um Unterstützung, welches an höhere Mächte gestellt wird. Anatomische Votivgaben werden daher als Bitte um Heilung oder als Dank für die Genesung des betreffenden Organs oder Körperteils an einem heiligen Ort hinterlegt. Neben inneren Organen (3) werden oft Sinnesorgane wie Augen und Ohren (4) oder Arme oder Beine (5) als Votive gestiftet.

In der chinesischen Kultur werden Krankheiten häufig in Einklang mit einer Störung der natürlichen Harmonie gebracht. Um dies zu verhindern oder auszugleichen, werden daoistische Elemente wie Amulette (6+7) oder Kleberollen mit Amulett-Charakter (8) genutzt, die Krankheiten zu heilen, aber vor allem böse Geister zu besänftigen und damit bereits dem Ausbruch der Krankheit entgegenzuwirken. Die Angst vor bösen Kräften geht selbst über den Tod hinaus, was der Dekor eines Bronzespiegels (9) bezeugt. Spiegel werden in China den Verstorbenen mit ins Grab gegeben und stellen einen unverzichtbaren Bestandteil der Grabausstattung dar. Sie haben unheilabwehrende Eigenschaften und sollen Licht ins Grab bringen.

Objekt 1 | Porträt eines Arztes

Leihgabe aus Privatbesitz, Archäologisches, Inv. A 419
Museum der Universität Münster, Original: Inv. 32,
Archäologisches Museum, Kos
Gips, Original: Marmor
H 43,5 cm, Original: 196,5 cm
ausgehendes 4. Jh. v. Chr., von Kos

Diese Büste ist lediglich ein Teilabguss einer überlebensgroßen marmornen Gewandstatue, die ursprünglich aus dem nordöstlichen Teil des Odeions von Kos stammt. Sie stammt aus dem ausgehenden 4. Jh. v. Chr. Offenbleiben muss, welche historische Person sie genau darstellt. Ursprünglich wurde sie als der berühmteste griechischen Arzt des Altertums, Hippokrates, gedeutet, der auch aus Kos stammte. Diese Deutung ist heute widerlegt. Allerdings kann eine bewusst ähnelnde Darstellung eines damals bekannten Arztes der Schule von Kos nicht ausgeschlossen werden. Schon in der Antike war das Erscheinungsbild eines Arztes wichtig. Die zwischen dem 6. Jh. v. Chr. und 2. Jh. n. Chr. zusammengetragene Textsammlung namens „Corpus Hippocraticum“ eröffnet uns einen Einblick in das Auftreten eines Arztes. So mussten diese mit ihrem Erscheinungsbild ein Spiegelbild ihres Könnens vermitteln. Neben einem gepflegten Äußeren und einem gesunden körperlichen Zustand mussten sie auch einen besonnenen bzw. philanthropischen Charakter an den Tag legen und somit ein Vorbild für ihre Patienten abgeben. All dies lässt sich wohl auch mit dem engen Arzt-Patienten-Kontakt begründen, bei dem ein möglichst selbstbeherrschter Umgang den größten Behandlungserfolg versprach. Hierzu gehörte auch eine große Verschwiegenheit, die wir heute als wichtigen Teil des sog. Hippokratischen Eides kennen.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 89.

Objekt 2 | Lithotomieskalpell

Archäologisches Museum der Universität, Inv. 4147
Münster
Bronze und Eisenreste
L 19 cm
ca. 250 n. Chr., Fundort unbekannt

Auch aus Mesopotamien und Ägypten sind medizinische Instrumente bekannt. Die meisten von diesen stammen aus römischer Zeit vom 1. bis 3. Jh. n. Chr. Bekannt sind u. a. Skalpelle, Knochenzangen, Schröpfköpfe, Nadeln, Wundhaken, specula oder Pinzetten. Zu den medizinischen Geräten gehörte auch das hier gezeigte, sog. Lithotomieskalpell, das zur Entfernung von Blasensteinen genutzt wurde. Es hat an einer Seite eine Einkerbung, um ein austauschbares Skalpell einzufügen. Auf der gegenüberliegenden Seite des quadratischen Griffstabes befindet sich ein nach oben gebogener rundlicher Spatel. Dieser ist auf der Innenseite durch kleine Erhebungen angeraut, während die Außenseite glatt ist. Der Grund hierfür ist ein besserer Halt des Blasensteines bei seiner Entfernung. Diese Operation verursachte aufgrund der fehlenden Narkose große Schmerzen bei den Patienten und stellte wegen der Wunden ein hohes Risiko dar, zählte aber laut Celsus noch zu den kleinen operativen Eingriffen. Dies resultierte daraus, dass für die Entfernung des Blasensteins nur zwei Instrumente von Nöten waren: Der Blasenstein wurde mit Fingern in Richtung des Blasenhalses geführt, wo Schnitte gesetzt wurden, um dann den Stein mittels des Spatels heraufzubefördern. Diese Operation ist darüber hinaus Bestandteil des Hippokratischen Eids, da sie von speziell ausgebildeten Menschen, den Lithotomisten, ausgeführt wurde.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 92.

Objekt 3 | Fragment eines männlichen Torsos mit geöffnetem Leib

Abbildung eines Tonobjekts in Form eines Fragments eines männlichen Torsos mit geöffnetem Leib und Blick auf die inneren Organe

Akademisches Kunstmuseum,
Antikensammlung der Universität Bonn
Inv. D 80
Ton
L 30,5; B 20,7 cm
ca. Ende des 4. bis Mitte 3. Jh. v. Chr. (nach Recke/Wamser-Krasznai 2008, 44) bzw. 4.–2. Jh. v. Chr. (nach Kat.
Bonn, 11 Kat. 158), aus Veji

Dieser rundum gebrochene Teil eines Oberkörpers weist im Zentrum eine ovale erhabene Linie auf, die im Relief angegebene innere Organe rahmt. Diese Eingeweidedarstellung stellt die Organe schematisch dar. Derartige Tonfiguren von nackten bzw. bekleideten Körpern mit geöffnetem Leib sind mit anderen Darstellungen von Körperteilen zahlreich in etruskische Heiligtümer gestiftet worden. Auf die Frage, warum gerade in Mittel- und Süditalien derartige anatomische Votive mit geöffneten Körpern überliefert sind, gibt es in der Forschung einen breiten Konsens, dass die speziellen Opferschauriten der Etrusker – insbesondere die Leberschau durch eine spezielle Priestergruppe (haruspices) – diese Darstellungsform begünstigt haben. Die etruskische Eingeweideschau hingegen hat wohl für den Blick in das Innere – allerdings von tierischen – Körpern gesorgt.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 91.

Objekt 4 | Augen und Ohren als Gaben an die Götter

Archäologisches Museum der Universität Münster
Inv. 513 a) und b) (Augen); 514 a) und b) (Ohren)
Ton
513 a): H 1,89; B 2,91; T 1,21 cm; 513 b): H 1,91; B
2,97; T 1,01 cm
514 a): H 4,59; B 2,79; T 0,69 cm; 514 b): H 4,78; B
2,21; T 0,90 cm
2. Hälfte 4. – Ende 1. Jh. v. Chr., aus Mittelitalien

Hier gezeigt sind jeweils zwei aus Ton geformte Ohren und Augen. Körperteile sind in den Kulturen des Altertums beliebte Weihgaben an für die Heilung zuständige Gottheiten und werden daher als anatomische Votive bezeichnet. Die Götter sind im griechisch-römischen Kulturraum v. a. Apollon/Apollo, Asklepios/ Aesculap, Hygieia/Valetudo bzw. Salus, dazu Athena/ Minerva und Demeter/Ceres, außerdem der Heros Amphiaraos. In Italien – egal ob es die Etrusker oder die Bewohner des Römischen Reiches betrifft – sind nahezu alle Gottheiten für das medizinische Wohl zuständig. Die gestifteten Körperteile können aus unterschiedlichen Materialien bestehen. Weihungen anatomischer Votive erfolgen entweder zur Unterstützung der Bitte um Heilung oder als Dank für die Gesundung des Organs. Ohren können darüber hinaus auch für die erhörende Gottheit (theos epäkoos) gestiftet sein, wie insbesondere mit Inschriften versehene Weihungen aus dem Aphrodite-Heiligtum von Milet und Pisa bezeugen. Alternative Interpretationen von Augen-Weihungen sehen in ihnen ein übelabwehrendes Zeichen bzw. den Blick der Gottheit auf die sie Verehrenden.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 88.

Objekt 5 | Votivgaben (Arm und Bein)

Abbildung einer Votivgabe in Form eines Armes aus Silber
Abbildung einer Votivgabe in Form eines Beines aus Kupfer

Katholische Kirchengemeinde St. Marien, Telgte
Arm: Silber; Bein: Kupfer
Arm: H 18; B 4 cm; Bein: H 9; B 2,5 cm
19./20. Jh., aus Westfalen

Votivgaben oder Votivbilder werden von einer gläubigen Person in einer Notlage als Bitte oder nach einer Erhörung als Dank an einem heiligen Ort – meist einer Wallfahrtskapelle – hinterlegt. Votivgaben verweisen durch die Art des Objekts oft auf das Problem oder das Leiden der Person hin, die das Votiv gestiftet hat. Sie werden aus Holz, Wachs, Metall und Stoff gefertigt und stellen meist ein menschliches Körperteil dar. Diese beiden Motive stammen aus dem (Marien-) Wallfahrtsort Telgte im Münsterland. Das eine wurde aus Kupfer gefertigt und zeigt einen Fuß sowie den Unterschenkel bis zum Knie. Der Geber hat es, wie eine Inschrift besagt, 1904 am Ort zum Dank nach der Heilung eines Bein- oder Fußleidens niedergelegt. Neben der Inschrift findet sich im Bereich des Knies ein Kreuz. Das zweite, deutlich größere wurde aus Silber gefertigt und stellt einen menschlichen Unterarm mit Ellenbogen und linker Hand dar. Unklar ist bei diesem Votiv, ob es mit der Bitte um Heilung oder als Dank für eine erfolgte Heilung gestiftet wurde. Bei beiden Objekten dürfte es sich um seriell hergestellte Produkte handeln. Sie sind somit ein Indiz dafür, dass sich das Wallfahrtswesen im 19./20. Jh. zu einer Art „Massentourismus“ entwickelte.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 95.

Objekt 6 | Daoistische Amulette

Religionskundliche Sammlung
der Philipps-Universität Marburg
Inv. B-Pt 101 015 a und b
Papier
H 24; B 5,2 cm
zeitgenössisch, aus China, evtl. Provinz Hunan

Auf zwei gelben, länglichen Papierstreifen sind in roter Farbe Schriftzeichen aufgeschrieben. Im unteren Bereich findet sich jeweils in schwarzer Farbe der Abdruck eines Stempels. Es handelt sich bei diesen Streifen um Amulette, wie sie von Priestern in daoistischen Tempeln geschrieben und zum Kauf angeboten werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sie wirksam zu machen: Man kann sie am Körper tragen, sie essen, sie zunächst verbrennen, um dann die Asche zu schlucken, oder sie verbrennen, um so die Götter die Amulette wahrnehmen zu lassen. Die Wörter auf einem Amulett sind immer nur z. T. lesbar, da sie vom Priester durch Kommunikation mit den Göttern aufgezeichnet werden. Es gibt viele Sorten von daoistischen Amuletten mit eigener Funktion. Amulette werden dazu genutzt böse Kräfte zu unterbinden, Krankheiten zu behandeln oder um bestimmtes Wetter bitten. Die Ursprünge solcher Amulette liegen vermutlich in den zweiteiligen Kennzeichen, von denen ein Teil im alten China vom Kaiser zu Legitimationszwecken an Generäle ausgehändigt wurde. Ab der Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) wurden diese Kennzeichen von Daoistischen Priestern übernommen. Sie benutzten sie als Medium, um mit einer Gottheit oder einem Geist in der jenseitigen Welt zu kommunizieren. Die Farbe Gelb ist das Farbsymbol des Kaisers und wird mit Göttern in Verbindung gebracht. Auch soll sie böse Geister vertreiben können.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 106.

Objekt 7 | Foto eines „Sieben Stern Amulettes“

Abbildung eines Fotos eines Chinesischen "Sieben Stern-Amuletts"

Fotodruck, heutiger Aufbewahrungsort nicht bekannt
Original: Irdenware
Original: 34,6 x 17 x 6,8 cm
Original 478 (Liang-Dynastie), aus Zixiang (China)

Das Foto zeigt ein „Sieben Stern Amulett“, das auf der linken Seite einer aus Irdenware gefertigten flachen, rechteckigen Platte eingraviert war. Die restliche Platte war mit einem Text von 27 Zeilen in chinesischen Schriftzeichen bedeckt. Sieben Punkte sind mit Linien zum Sternbild des „Nordscheffels“ verbunden, der im Westen als der „Große Wagen“ bekannt ist. Darunter stehen fünf nicht lesbare Schriftzeichen. Es handelt sich hierbei um eine sog. Gebietsurkunde, die in einem Grab der Liang-Dynastie (502–549) in Zixiang, im südlichen China, entdeckt wurde. Gebietsurkunden galten als der Grundbrief eines Toten. Mit diesem konnte der Verstorbene vor den Herrschern der Unterwelt bestätigen, dass der Ort der Grabstätte rechtmäßig erworben und in seinem Besitz war. Die jenseitigen Behörden, die mit ihren Titeln genannt werden, stellte man sich hierbei als ein Spiegelbild des Diesseits vor. Die Motivation, eine solche Urkunde dem Verstorbenen mit ins Grab zu geben, war nicht zuletzt die Angst der Lebenden vor dessen Wiederkehr. Es sollten böse Kräfte unterbunden und der Tote befriedet werden. Das „Sieben Stern Amulett“, das die Gebietsurkunde am Ende gleichsam besiegelt, unterstützt diese Funktion. Die Wörter auf dem Amulett sind nicht lesbar, da sie für die Herrscher der Unterwelt verfasst wurden, und nicht für die Menschen.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 107.

Objekt 8 | Kleberolle mit Amulett-Charakter

Religionskundliche Sammlung der
Philipps-Universität Marburg
Inv. PT 102a und b
Kleberolle
H 4,4; B 4,3 cm
zeitgenössisch, aus Taiwan

Es handelt sich bei den beiden laminierten Streifen um Abschnitte von Kleberollen. Bei Pt 102 sind darauf wiederkehrend die beiden großen chinesischen Zeichen chi ling 敕令 zu lesen, was kaiserlicher bzw. göttlicher Befehl bedeuten kann. In der Mitte des Klebebandes steht you qiu bi ying 有求必應, also „Wünsche werden von den Göttern erhört“. Bei Pt 102 b sind mittig die zwei chinesischen Zeichen feng yin 封印 zu lesen, was in etwa versiegeln bedeutet und hier den Wunsch ausdrückt, böse Kräfte zu versiegeln, also zu unterbinden, oder auch etwas sicher zu verschließen. Im Hintergrund sind auf beiden Abschnitten mit Linien verbundene Punkte zu sehen, die stilisierte Sternbilder darstellen. Diese sowie weitere glücksverheißende Schriftzeichen, die gelbe Farbe und rote Farbe der Kartuschen erinnern an die traditionellen daoistischen Amulette (Objekt 6). Solcherlei Kleberollen sind im heutigen Taiwan ein sehr beliebtes Alltagsprodukt. Zwar haben diese Kleberollen schon ihre originale Funktion als daoistische Amulette verloren, doch werden sie von den Menschen im Alltag nicht nur unbedacht allein zu Dekorationszwecken benutzt.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 108.

Objekt 9 | Bronzespiegel mit Tieren und Weinreben

Religionskundliche Sammlung der PhilippsUniversität Marburg
Inv. Pt029
Bronze
Dm ca. 10 cm
Tang-Zeit (618–907), aus China

Die Rückseite des Bronzespiegels ist in zwei konzentrische Kreise unterteilt. Mittig ist ein großer Löwe erkennbar, unter dessen Körper eine Öffnung ausgespart ist, durch welche man den Spiegel mittels eines Bandes an einer Stange oder am Gewand befestigen konnte. Er ist umgeben von sechs kleinen Löwen sowie floralem Dekor. Im äußeren Kreis sind sechs Vögel und viele Weinreben und Ranken dargestellt. Die glatte, ursprünglich blank polierte Spiegelfläche findet sich auf der anderen Seite. Dieser Spiegel gehört der Gruppe „Tiere und Weinreben-Spiegel“ an, die in der Tang Dynastie sehr beliebt war. Spiegel wurden in China seit über 4000 Jahren in Gräbern beigegeben und stellten einen essenziellen Bestandteil der Ausstattung eines Verstorbenen dar. Zu ihrer Verwendung im Totenbedarf gibt es verschiedene Thesen. Ein Spiegel mag dem persönlichen Besitz des Verstorbenen entstammen. Ihm wurden aber auch unheilabwehrende Eigenschaften zugeschrieben, und er sollte Licht in das Grab bringen oder auch den Verstorbenen auf seinem Weg ins Reich der Unsterblichen geleiten.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 109.