Zwei Statuetten (1+2) bilden die afrobrasilianische Gottheit Exu als Mischwesen (Mensch, Teufel, Tier) ab: Die männliche Darstellung zeigt Exu mit übergroßem erigiertem Penis, das weibliche Pendant trägt einen Rock. Exu ist ein „Zwischenwesen“, eine höchst ambivalente Gottheit, die sich jedem binären Schema – gut/böse ebenso wie männlich/weiblich – entzieht.

Die Figur des Vajradhara mit Partnerin (3) gehört zu den im tantrischen Buddhismus verbreiteten yab-yum (Vater-Mutter) Darstellungen. Die männliche Person im Lotos-Sitz befindet sich in geschlechtlicher Vereinigung mit der auf ihrem Schoß sitzenden weiblichen Person. Im Allgemeinen symbolisieren diese Darstellungen die innere Einheit von Weisheit (Frau) und aktivem Mitleid (Mann).

Avalokitesvara (4) wird als männlicher Bodhisattva („nach Erleuchtung strebendes Wesen“) in Südostasien häufig mit den Monarchen in Verbindung gebracht, von denen sich einige als dessen Inkarnation verstanden. Gleichzeitig verbreitete sich in China ein zuerst androgynes und schließlich weibliches Bild des Bodhisattva unter dem chinesischen Namen Guanyin (5+6). Diese aus dem indischen Buddhismus stammende Gestalt repräsentiert in besonderer Weise die buddhistische Tugend des Mitgefühls und wird in Ostasien vielfach als Nothelferin angerufen. So fanden auch Frauen mehr Halt und Repräsentation.

Das Drachenmädchen (7), die achtjährige Tochter des Drachenkönigs, schenkte Buddha ein Juwel und erreichte so die Erleuchtung. In dem Moment, in dem sie so selbst zum Buddha wurde, musste sie sich allerdings in einen Mann verwandeln

Objekt 1 & 2 | Zwei Statuetten der afrikanischbrasilianischen Gottheit Exu

Religionskundliche Sammlung der Universität Münster, Inv. RS_448
Metall
Figur 1 (männlich): H 21; B 5; T 13 cm;
Figur 2 (weiblich): H 19; B 9; T 13 cm
2021, Feira de São Joaquim, aus Salvador da Bahia (Brasilien)

Diese Statuetten stellen die afrobrasilianische Gottheit Exu als Mischwesen (Mensch, Teufel, Tier) dar: Die männliche Darstellung zeigt Exu mit übergroßem erigiertem Penis, das weibliche Pendant trägt einen Rock und hält in beiden Händen einen Speer mit dreieckiger Spitze, während die männliche Figur eine Art Spieß mit nach vorn gebogenem oberen Ende trägt. Die Art der Repräsentation ist typisch für den Candomblé, eine brasilianische Religion mit afrikanischen Wurzeln, doch ist Exu, teils unter anderen Namen (Legba, Elegua, Elegbara), auch in anderen Religionen afrikanischer Prägung in Lateinamerika bekannt. Der Candomblé entstand im Kontext des transatlantischen Menschenhandels, in dessen Verlauf vom 16. bis 19. Jh. ca. 4 bis 5 Millionen Menschen aus verschiedenen Religionskulturen Afrikas nach Brasilien verschleppt wurden. Kultiviert werden die sog. orixás, Gottheiten afrikanischer Herkunft. Unter ihnen nimmt Exu eine besondere Rolle ein, denn er ist als Götterbote gewissermaßen der Hermes bzw. Merkur des Candomblé-Pantheons. Ohne Exu kann es keine Kommunikation zwischen der menschlichen und der göttlichen Welt geben. Ihm gebührt deshalb stets das erste Opfer vor jedem weiteren Ritual, bestehend meistens aus Maniokmehl, Palmöl, Cachaça, ggf. einem Ei, Huhn und/oder Ziegenbock. Exus Orte sind die Übergänge, Türschwellen und Wegkreuzungen, denn Exu ist ein ‚Zwischenwesen‘, eine höchst ambivalente Gottheit, die sich jedem binären Schema – gut/böse ebenso wie männlich/weiblich – entzieht. Im Candomblé überwiegen männliche Darstellungen von Exu, doch kann das Geschlecht dieser stark mit Sexualität, Fruchtbarkeit und kosmischer Schöpfung konnotierten Gottheit changieren, einer Gottheit, die im Kontext christlicher Mission vielfach mit dem Teufel assoziiert wurde, was sich in manchen Darstellungen von Exu spiegelt (Hörner).

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 71.

Objekt 3 | Statuette des Vajradhara mit Partnerin

Überseemuseum, Bremen, Inv. A18493
Bronze
H 14,5; B 9,4; T 7,9 cm.
19. Jh., aus Tibet

Die Figur gehört zu den im tantrischen Buddhismus verbreiteten yab-yum (Vater-Mutter) Darstellungen. Die männliche Person befindet sich in geschlechtlicher Vereinigung mit der auf ihrem Schoß sitzenden weiblichen Person. Im Allgemeinen symbolisieren diese Darstellungen die innere Einheit von Weisheit (Frau) und aktivem Mitleid (Mann). Bei der männlichen Figur handelt es sich um Vajradhara („Diament-Halter“). Er wird häufig mit dem sog. Ādi-Buddha („Ur-Buddha“) gleichgesetzt, jener letzten Wirklichkeit, aus der alle Buddhas entspringen, d. h., die überhaupt so etwas wie Befreiung/Erlösung möglich macht. Seine Partnerin ist Prajñāpāramitā („Vollkommenheit der Weisheit“) oder ihre Erscheinung als Vajravārāhī oder Vajrayoginī. Mit den Händen einen Vajra („Diamant-Zepter“) und eine Glocke (ghanta). Beides sind tantrische Ritualgegenstände, wobei die Glocke als weiblich und das Zepter als männlich gilt. Indem Vajradhara seine Hände kreuzt, wird erneut das Motiv ihrer Verbindung ausgedrückt. Seine Partnerin hält eine Schädelschale und ein Hackmesser (kartri). Auch dies sind symbolträchtige Ritualgegenstände, die beide für die höchste Weisheit stehen. Generell gilt im Buddhismus sexuelles Begehren als eine der stärksten Fesseln an die vergängliche Welt. Für buddhistische Mönche und Nonnen ist daher eine zölibatäre Lebensweise vorgeschrieben. Im tantrischen Buddhismus ist jedoch erotische Symbolik weit verbreitet und hat teilweise auch Eingang in rituelle Vollzüge gefunden. Zumeist bleibt die religiöse Perspektive jedoch männlich bestimmt, auch wenn die Geschlechterverschiedenheit in einer höheren Einheit aufgehoben sein soll.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 76.

Objekt 4 | Statuette des Avalokiteśvara

Übersee-Museum, Bremen, Inv. A01558
Bronze
H ca. 10 cm
19. Jh., aus China

Diese einst vergoldete Figur stellt Avalokiteśvara, den im Buddhismus bekanntesten Bodhisattva dar. Der Begriff „Bodhisattva“ kann als „Erleuchtungs-Wesen“ oder als „nach Erleuchtung strebendes Wesen“ übersetzt werden. Bodhisattvas werden als höchst moralische und gesellschaftsorientierte Wesen verehrt, da sie die Erleuchtung zwar bereits erreicht haben, jedoch ihren Eintritt ins Nirvana herauszögern, um die irdischen Seelen durch die buddhistischen Lehren aus dem Kreislauf der Wiedergeburt und somit aus ihrem Leid zu erlösen. Sein Name Avalokiteśvara wird häufig als „Beobachter [der Welt]“ oder als „Wahrnehmer der [Klage-]Laute [der leidenden Wesen]“ übersetzt. Daher wird er insbesondere als Bodhisattva des Mitgefühls verehrt. Der Kult des Avalokiteśvara ist in allen Ausprägungen des Mahāyāna-Buddhismus zu finden. In Südostasien wurde Avalokiteśvara als männlicher Bodhisattva häufig mit den Monarchen in Verbindung gesetzt, von denen sich einige als dessen Inkarnation verstanden. Gleichzeitig verbreitete sich in China ein zuerst androgynes und schließlich weibliches Bild des Bodhisattva unter dem chinesischen Namen Guanyin. So fanden auch Frauen im Buddhismus mehr Halt und Repräsentation. Hier wird deutlich, dass die gleiche – eigentlich geschlechtslose – buddhistische Persönlichkeit durch eine deutliche Geschlechtszuordnung eine bestimmte Rolle übernimmt; und zwar eine, die dem Bedürfnis der Verehrenden entspricht.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 74.

Objekt 5 | Statuette der Gottheit Guanyin mit Kind

Übersee-Museum, Bremen, Inv. A10327
Holz mit farbiger Fassung
H 77; B 40; T 33 cm
19. Jh., aus China

Bei der dargestellten Frau handelt es sich um Guanyin. Guanyin ist der chinesische Name des Bodhisattva Avalokiteśvara. In China wurde Guanyin seit der Ausbreitung des Buddhismus androgyn dargestellt, wobei weibliche Merkmale oft überwogen. Seit dem 12. Jh. entstanden fast ausschließlich weibliche Darstellungen. U. a. setzte sich die hier zu sehende, an eine Madonnenfigur erinnernde Darstellung mit Kind (songzi Guanyin 送子觀音; Kinder schenkende Guanyin) durch. Die Transformation zur weiblichen Gottheit war jedoch nur im chinesischen Kulturkreis zu beobachten, obwohl Guanyin (bzw. Avalokiteśvara) auch in allen Ländern Südostasiens verehrt wurde, in denen sich der Buddhismus verbreitet hatte. Im konfuzianisch geprägten China war es die wichtigste Aufgabe einer Frau, männliche Nachkommen zu gebären, um die Familienlinie fortzuführen. Außerdem hatte sich vor Guanyin keine Gottheit durchsetzen können, die alle Schichten der Gesellschaft unabhängig von Klasse, Geschlecht oder Leistung gleichermaßen erreichte. Besonders für die Frauen trat hier eine neue Instanz in Erscheinung, an die sie sich mit ihren Sorgen zum Thema Geburt und Nachkommen wenden konnten

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 72.

Objekt 6 | Anhänger mit Bild der Guanyin

Religionskundliche Sammlung der Universität Münster, Inv. RS 432
vmtl. Messing und Kunstharz
H 4,2; B 2,3 cm
zeitgenössisch, aus Taiwan

Guanyin ist der im chinesischen Kulturkreis verbreitete Name der weiblichen Form des Avalokiteśvara. Avalokiteśvara gilt als besondere Verkörperung des Mitleids und wird oft als Nothelfer angerufen. Teilweise ist die Verehrung Avalokiteśvaras so stark, dass sie die der Buddhas übersteigt. Zu den Fähigkeiten hoch entwickelter, übernatürlicher Bodhisattvas gehört auch, dass sie sich auf vielfältige Weise manifestieren können, einschließlich des Annehmens unterschiedlicher Geschlechter. Oft wird Avalokiteśvara mit „zehntausend“ Armen dargestellt, was die Vielfalt seiner Möglichkeiten als Nothelfer anzeigt. In Münster findet sich am Marienplatz eine moderne Interpretation der vielarmigen Guanyin durch den vietnamesischen Künstler Huang Yong Ping. Im ostasiatischen Buddhismus ist Guanyin als weibliche Form Avalokiteśvaras besonders populär und wird auf vielerlei Weise, sitzend oder stehend, abgebildet. Verbreitet ist auch ihre Abbildung auf glückbringenden Amuletten, wie hier gemeinsam mit dem Mantra („Om Mani Padme Hum“) zu ihrer Anrufung. Bisweilen wird Guanyin als Mutter mit Kind gezeigt, denn schon sehr früh wird in buddhistischen Texten die Liebe der Mutter zu ihrem Kind als Urbild idealen Mitgefühls. Als androgyne oder binäre Gestalt wird Avalokiteśvara bzw. Guanyin heute teilweise als Symbol einer „queeren Theologie“ im Buddhismus diskutiert

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 73.

Objekt 7 | Statuette eines Drachenmädchens

Übersee-Museum, Bremen, Inv. A 01584
Bronze
ca. 17 cm
19. Jh., aus China

Bei dieser Figur handelt es sich um das Drachenmädchen (lóngnǚ 龍女), die Hauptfigur einer Geschichte aus dem buddhistischen Lotus-Sūtra, einer Schrift des Mahāyāna-Buddhismus. Dieser entstand im 2. Jh. n. Chr. und war die in China verbreitete Form des Buddhismus. Das Drachenmädchen, die achtjährige Tochter des Drachenkönigs, schenkte Buddha ein Juwel und erreichte so die Erleuchtung. In dem Moment, in dem sie so selbst zum Buddha wurde, musste sie sich allerdings in einen Mann verwandeln. In anderen Versionen der Geschichte wurde das Drachenmädchen in den buddhistischen Lehren unterrichtet und verstand diese sofort so intuitiv und vollkommen, dass sie nach Abschluss der Unterweisung sofort zum Buddha wurde. Dies geschah zur großen Überraschung ihrer Lehrer, die einer Frau eine solche Leistung nicht zutrauten. Der Buddhismus ist stark männlich geprägt und es gibt keine weiblichen Buddhas, jedoch gibt es zwischen den verschiedenen Schulen auch in dieser Hinsicht Unterschiede. Die Texte des Mahāyāna Buddhismus bezeichneten Frauen als in besonderem Maße unrein, weil diese menstruieren und Kinder gebären. Im Zuge der Verbreitung der Religion mussten jedoch Strategien gefunden werden, um auch Frauen anzusprechen und als Gläubige zu gewinnen. In diesem Kontext entstand das Motiv der „Erleuchtung durch Geschlechtsumwandlung“, durch das Frauen ein Weg eröffnet wurde, doch zum Buddha aufzusteigen.

Weitere Informationen finden Sie in dem Katalog der Sonderausstellung unter Katalog-Nummer 75.